Samstag, 12. Mai 2018

Brot, das vom Himmel gekommen ist


Anmerkungen zu Johannes 6,1–15.24–29.44–48

1.  Eine Mahlzeit mit Missverständnissen
Was für  ein Wunder, das uns das Johannes-Evangelium erzählt: Es ist kaum etwas zum Essen da und doch werden 5000 Leute satt, 5000 Mägen gefüllt. Aber der große Wundertäter Jesus verschwindet auf einen Berg.
Er geht weg vom Lärm der irdischen Begeisterung und zieht sich in die Stille des Himmels zurück. Die satt Gewordenen wollten ihn nämlich am liebsten gleich zum König machen. In der Nacht konnten sie ihn allerdings schlecht suchen, aber dann am nächsten Morgen …
Machen wir uns klar: Wenn jemand etwas so Spektakuläres tut, dann ist er ganz schnell der Größte, der Champion. Ein solcher soll gleich König werden, Führer für die bisher Verunsicherten. Denn ein solcher Mensch gibt der Existenz Auftrieb. Also suchen die Leute Jesus am nächsten Tage, um ihn hochleben zu lassen.
2.  Die Blickrichtung ändern
Und wir sind im Grunde nicht viel anders als diese Menschen damals. Wir haben dieselbe Mentalität: Auch wir begrüßen, ja wählen genau die Menschen, die uns eine gute Wirtschaftslage und Wohlstand für alle versprechen. Wir möchten ja schließlich alle vorankommen und gut dastehen. Jesus bringt es in der Begegnung mit der Jubelmenge auf den Punkt: Ihr seid nicht deswegen hier, weil ihr die Speisung der 5000 als ein Zeichen einer tiefen Wahrheit verstanden habt, nein ihr seid nur gekommen, weil ihr satt geworden seid. Aber Brot ist mehr als nur ein Lebensmittel, um satt zu werden, Brot wird zum Zeichen, wenn man es in himmlischen Zusammenhängen sieht. Aber wer nur auf die Erde blickt, kann das Himmlische nicht sehen.
Auch in der Kirche pflegen wir durchaus diese Mentalität, nur auf die Erde zu blicken – auf den möglichst ausgeglichenen Finanzaushalt der Gemeinde, auf die Stellenpläne, um die unrentablen Posten zu streichen. Jesus stellt jedoch solches Verhalten konsequent in Frage. Schauen wir als Christen wirklich auf das Brot, das vom Himmel kommt? Schauen wir also wirklich auf Jesus, als Symbol eines Lebens, das über die irdischen Bedürfnisse hinausgeht? Wie aber sieht das himmlische Brot konkret in unserem Leben aus?
3.  Himmlisches Brot und himmlische Orientierung
Wenn wir unser Christsein betrachten, wie sieht der Alltag aus? Wir essen und trinken drei oder viermal am Tag, um unsren Körper mit den nötigsten Lebensmitteln zu versorgen. Dabei stehen wir eher in der Gefahr, dem Körper mehr zu geben, als er wirklich braucht. Und wie oft beten wir am Tag? Erinnern wir uns an die Stundengebete der Klöster. Dort wird fünfmal am Tag gebetet. Wir alle haben jedoch die Möglichkeit, wenn wir dreimal am Tag die Glocken der Kirchen hören – morgens, mittags und abends – wenigstens einen Augenblick innezuhalten.
Das sind dann vielleicht keine formulierten Gebete. Es ist aber das, was Jesus meint: himmlische Orientierung. Sie kommt besonders im Dank zum Ausdruck: Dank auch für die Kleinigkeiten, das Lächeln eines uns fremden Menschen, der blühende Baum an der Straße, das bewusste Suchen der stillen Momente zwischendurch oder gar am Abend. Es ist natürlich auch die Dankbarkeit, vor einem Unglück bewahrt worden zu sein. Früher sprach man ja noch vom Feierabend, der Zeit für solch nachdenkendes Beten ließ. In solchen Augenblicken, aber natürlich auch in den Zeiten des bewussten Betens spüren wir etwas vom Brot, das vom Himmel kommt.
Damit hat auch jede gemeinsame Mahlzeit die Möglichkeit zum Zeichen für himmlisches Brot zu werden. Im Abendmahl wird dies besonders deutlich: Worte der Zusage, gegenseitig das Brot brechen, gegenseitig den Kelch reichen und sich dabei den Frieden wünschen, der höher ist als alle Vernunft. Das Zeichen des himmlischen Brotes wird Anstoß zum Hören und Lernen dessen, was entscheidend im Leben ist.
V. 33: Denn das ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und Leben gibt.
4.  Er-Ziehung zu Gott – Liebeserziehung
Wir müssen also unsere Mentalität ändern, damit wir die himmlische Orientierung überhaupt wahr-nehmen und uns zu Gott ziehen lassen. Im deutschen Wort er-ziehen steckt ja das Ziehen. Der johanneische Jesus bezieht sich dabei auf ein Wort aus Jesaja 54,13 nach der Septuaginta: Gott selbst will unser Lehrer sein. Das kann man sich durchaus so vorstellen wir in der Pfingstgeschichte. Dort wird es in den Köpfen und Hirnen der Jünger plötzlich hell, es geht ihnen ein Licht auf. Pfingsten wird damit zum Leuchtzeichen für eine Veränderung von innen heraus. Von Gott gelehrt sein bedeutet, dass er uns den rechten Weg ziehen /er-ziehen will, damit wir nicht im Alltäglichen hängen bleiben, sondern als Verwandelte / Richtungsgeänderte die Dinge tun, die heute und hier notwendig / Not wendend sind. Der große tschechische Pädagoge Johann Amos Comenius (1592–1670) hat in seiner Didactica Magna, also in der Kunst des Lehrens und Lernens geschrieben, dass eine wahrhaft menschliche Erziehung nur durch eine von Gott bestimme Humanität möglich ist. Er zeigt damit auch Maßstäbe für das Zusammenleben untereinander auf. Das bedeutet: Nicht der ist der Größte, der die spektakulärsten Taten vollbringt, sondern derjenige, der sich von der göttlichen Liebe ziehen/er-ziehen lässt. Das ist übrigens keine Frage des Alters. Wir alle haben diese Erziehung, diese liebende ZUGKRAFT GOTTES  bitter nötig. Jesus hilft uns dabei, denn er gibt die Orientierung vor: Wer mich sieht, der sieht den Vater (Johannes 14,9).
Wir sind eingeladen, am Werk der Menschenliebe Gottes mitzuziehen. Möglichkeiten dafür gibt es genug – jeden Tag !  Zögern wir nicht: Es ist höchste Zeit angesichts all der Unmenschlichkeiten, die in unserer kleinen Umgebung, aber ebenso auch in den Krisenregionen der Welt mit ungeheurer Brutalität geschehen.
Für diese Arbeit ist auch die richtige Nahrung nötig, Stärkung für die Aufgaben: Brot des Lebens. Solche Kräftigungen können für uns auch andere Menschen sein, Vorbilder, die uns Hilfestellung geben. Und jetzt verstehen wir vielleicht auch das Wort Jesu: „ICH BIN DAS BROT DES LEBENS“ (V. 48). Amen.
CC
relpäd/Johannes 6 ---12..05.18