Freitag, 25. November 2016

Der Prophet Jona und die schöne Stadt Ninive

Der Jenaer Theologieprofessor Klaus-Peter Hertzsch  (1930 - 2015) hat mit seinen biblischen Balladen einen heiteren und zugleich tiefgründigen Zugang zu biblischen Texten ermöglicht. Sie sind in einem kleinen Büchlein versammelt, das bereits 1967 auf den Markt kam (Union Verlag Berlin, DDR) kam und seitdem immer wieder neu aufgelegt wird:
Der ganze Fisch war voll Gesang.
Biblische Balladen zum Vorlesen

Stuttgart: Radius 1969 u.ö., 80 S., Abb. 
  • Bileam und seine Eselin (4. Mose 22 - 24)
  • Der Prophet Elia und der König Ahab
    (1. Könige 18 - 19)
  • Die Geschichte von Micha Ben Jimla und zwei verschwägerten Königen (1. Könige 22)
  • Der Prophet Daniel in der Löwengrube (Daniel 5 - 6)
  • Besonders bekannt geworden ist seine
    Ballade über den Propheten Jona:
    Hier ein paar Kostproben:
1. Ninive
Wie schön war aus der Fern und Näh,
wie schön war die Stadt Ninive!
Sie hatte Mauern, stark und dick.
Die Wächter machten Blasmusik.
Ein Stadttor war aus blauen Ziegeln,
mit schwerer Tür und goldenen Riegeln,
davor zwei bärtige Soldaten
von einem Bein aufs andre traten ...


Und Gott sah aus von seiner Höh
und sah auf die Stadt Ninive.

2. Berufung des Jona
Dann ließ er seine Blicke wandern
langsam von einem Land zum andern,
sah Wald, sah Meer, sah das, sah dies -
sah einen Mann, der Jona hieß.
"Los Jona", sprach der Herr, "nun geh
auf schnellstem Weg nach Ninive!
Sag ihr mein Wort! Sei mein Prophet,
weil es dort leider übel steht.
Da hilft nur eine kräftige Predigt,
sonst ist die schöne Stadt erledigt!"

3. Die Flucht
Doch Jona wurde blass vor Schreck
und sagte zu sich: "Nichts wie weg!
Ich lösch mein Licht, verschließ mein Haus.
Ich mach mich fort. Ich reiße aus."
Den Blick nach Westen wandte er.
Erst lief er nur. Dann rannte er.
Am Feld entlang - am Wald entlang -
er sah sich um. Es ward ihm bang.
Der Staub flog hoch. Er keuchte sehr,
als liefe einer hinter ihm her.
Gott aber, der den Weg schon kannte,
sah lächelnd zu, wie Jona rannte.

Am Ende kam der müde Mann
am weiten blauen Meere an.
Da roch die Luft nach Salz und Tang.
Da fuhrn die Fischer aus zum Fang.
Matrosen sah man lachend schlendern,
erzählen sich von fremden Ländern.
Noch lag ihr Schiff an festen Tauen.
Noch sangen die Matrosenfrauen.
Als Jona alles angestaunt,
da war er wieder gut gelaunt.
Er sagte zu dem Kapitän:
"Wohin soll denn die Reise gehen?"
"Nach Tharsis geht es", sagte der,
"weit weg von hier, weit übers Meer".
"Je weiter", rief er, "desto besser!"
Hört zu: Ich bin kein starker Esser,
ich nehme wenig Platz euch weg
und zahle gut. Laßt mich an Deck!"
So zahlte er und ging an Bord.
Und bald darauf, da fuhrn sie fort.
Das Meer war weit. Das grüne Land,
es wurde kleiner und verschwand.
"Ahoi!" rief Jona. "Klar bei See!
Ich gehe nicht nach Ninive!"

3. Im Sturm
 ... Und Jona zog das schwarze Los.
Und jeder sprach: "Wer ist das bloß?"
"Ich bin", sprach Jona, "ein Hebräer,
Ich flieh - und doch kommt Gott mir näher.
Ja Gott, dem bin ich wohlbekannt.
Hat mich nach Ninive gesandt.
Da bin ich vor ihm ausgerissen
und werd nun wohl ertrinken müssen".

Zuerst versuchten die Matrosen
es noch mit Rudern und mit Stoßen.
Doch als es gar nicht anders ging
und schon das Schiff zu sinken anfing,
da nahmen sie den Jona her
und warfen ihn hinaus ins Meer ...

Der arme Jona schwamm inzwischen
im Meer herum mit lauter Fischen.
Es war nicht Schiff noch Insel da,
nur blaues Meer, soweit man sah,
Er war zum Glück kein schlechter Schwimmer;
Doch bis nach Hause - nie und nimmer!

4. Der Fisch
Da plötzlich teilten sich die Wogen.
Es kam ein großer Fisch gezogen.
Dem hatte Gott der Herr befohlen,
den nassen Jona heimzuholen.
Sein Maul war groß wie eine Tür.
Das sperrt' er auf und sagte: "Hier!"
Er saugte den Propheten ein.
Der rutschte in den Bauch hinein.
Dort saß er, glitschig, aber froh:
denn nass war er ja sowieso.
Da hat er in des Bauches Nacht
ein schönes Lied sich ausgedacht.
Das sang er laut und sang er gern.
Er lobte damit Gott den Herrn.
Der Fischbauch war wie ein Gewölbe:
das Echo sang noch mal dasselbe.
Die Stimme schwang, das Echo klang,
der ganze Fisch war voll Gesang ...

5. Das gute Ende nach dem verdorrten Rizinus

Jona - Da weinte er. Da sagte er:
"Ach, wär ich tot! Ich kann nicht mehr."

Gott sprach zu ihm ein gutes Wort:
"Jetzt weinst du, weil dein Baum verdorrt,
den du nicht wachsen lassen kannst
und den du nicht mal selbst gepflanzt.
Da sollte ich nicht traurig werden,
wenn meine Kinder dort auf Erden
verderben und zugrunde gehn
weil sie mein Wort nicht gut verstehn?
Da sollte ich die Stadt nicht schonen,
in der so viele Menschen wohnen ..."
 (aaO S. 50-63 - Auszüge)


Die Bedeutung von Klaus-Peter Hertzsch für das biblische (Nach-)Erzählen kommt auch in der Festschrift anlässlich seines 80. Geburtstages zum Ausdruck:
Michael Trowitsch (Hg.): Ein Smaragd hat’s mir erzählt. Vom Reden über biblische Geschichten. Festschrift für Klaus-Peter Hertzsch zum 80. Geburtstag. 
Stuttgart: Radius 2010, 217 S. --- ISBN 978-3-87173-908-8 ---

Mittwoch, 16. November 2016

Zerbrechlichkeit der Welt

Stiftskirche St. Cyriakus, Geseke

Die Zerbrechlichkeit der Welt
und die Endlichkeit der Kirche
gehen uns nahe,
wenn wir uns mit Jesus
zu dem prächtigen Tempel begeben,
einer heilen, heiligen Welt
inmitten Jerusalems.

Der gewaltige herordianische Tempel,
der für die Ewigkeit gebaut zu sein schien -
ihm wird von Jesus provokant
der Untergang prophezeit.

Ja, Jesus ernüchtert.
So viel Ende war nie!
Seine Predigt weckt auf,
und sie vertreibt die schöne Illusion,
alles gehe irgendwie immer so weiter.


Aus: Pfarrnachrichten Pastoralverbund Geseke vom 13.-20.11.2016

Das buddhistische Gleichnis von der Wildgans --- die 4. Ausfahrt des Siddharta Gautama

Einige Zeit danach gab Siddhartha noch einmal seinem Wagenlenker den Befehl, die schönsten Wagen für eine Ausfahrt zu den Gärten instand zu setzen. Es war noch Unruhe in ihm und Neugier, wer ihm auf dieser Ausfahrt begegnen möchte. Kaum hatten sie die Stadt verlassen, da sah Siddhartha zum ersten Mal in seinem Leben einen wandernden Bettelmönch. Mit geschorenem Haupt und Bart, mit dem fahlgelben Gewand bekleidet, schritt der Bettler ruhig und selbstbeherrscht dahin. In edler Haltung trug er sein Gewand und die Schale. Keine Ungeduld, keine Einbildung und kein Hochmut schienen in ihm zu sein. Ausgeglichen und leicht ging er seinen Weg.
Da ließ Siddhartha seinen Wagen anhalten. Er stieg zu dem Bettler hinunter und redete ihn an. “Warum bist du anders als andere Menschen? Dein Haupt ist nicht wie bei anderen, und dein Gewand ist nicht wie bei anderen." “Ich habe mein Haus verlassen", antwortete der Bettler, “und bin in die Hauslosigkeit gegangen. Ich gehe mit bloßem Haupt unter dem weiten Himmel, ich trage das fahlgelbe Kleid der Ausgestoßenen und Kastenlosen."
Als der weise Bettler das gesagt hatte, flog ein Schwarm von Wildgänsen über sie hin. “Wir wandernden  Bettler", fuhr er fort, “sind wie die Wildgänse, die heimatlos den Raum durchfliegen, die überall und nirgends zu Hause sind. Die Wildgans schwimmt auf der Oberfläche des Wassers, ist aber nicht an das Leben auf dem See gefesselt. Sie fliegen bald nach Norden, bald nach Süden. Sie  durchschweifen die Höhen des Himmels und lassen sich nieder auf dem See, ganz wie sie wollen, bald hier, bald dort. So sind auch wir heimatlose, freie Wanderer. Kein Gesetz der Kaste bindet uns mehr. Die Träume und Ängste der Menschen in ihren Häusern, die an Macht, Besitz und Ansehen kleben, sind für uns für immer vergangen."

Die Inder nennen die Wildgans in ihrer Sprache hamsa. Die beiden Silben des Wortes klingen wie Ausatmen und Einatmen. Die Wildgans ist für die Inder ein großes Symbol. “Wir leben den Atem der Welt", ergriff der Bettler noch einmal das Wort. “Ausatmen und Einatmen, daraus besteht jede Sekunde des Lebens. Das Ausatmen löst und befreit, das Einatmen bedrängt und presst. Die Menschen denken meist nur an ihre Kastenpflichten, Kastenrechte und Kastenträume. Das drückt und presst sie im Leben. Sie sind aufgeregt und voller Sorgen. Sie verstehen die Botschaft der Wildgänse nicht, die als Gleichnis Gottes unter dem Himmel sind. Gott ist bei allen Menschen und doch frei. Ihnen fehlt Gelöstheit und Freiheit. Wir aber gehen als Gleichnis Gottes gelöst und frei durch die Welt. Wir sorgen uns nicht. Wir empfangen in der Bettelschale, was wir nötig haben. Wenig genügt uns. Dann setzen wir unsere Schritte nach Norden oder Süden, immer unter dem Himmel. Wir leben, was die Menschen so leicht vergessen: Was Menschen besitzen, behalten sie nicht. Wir empfangen nur, um es wieder loszugeben. Bettler sind wir, darum frei." 
Vgl. Matthäus 6,26 / 8,20 /  19,29
Paul Schwarzenau in: Gespiegelte Wahrheit. Biblische Geschichten und Kontexte anderer Religionen.
Iserlohner Con-Texte Nr. 18 (ICT 18). Iserlohn 2003, als PDF Datei bearb. 2009 / 2014, S. 49 

Buchhinweis:
Heinrich Zimmer: Indische Mythen und Symbole. 
DG 33. Eugen Diederichs Verlag 2000, 7. Aufl., 255 S.



Sonntag, 6. November 2016

Treue zahlt sich aus - Gedanken zu Lukas 16,9-12

Worte Jesu:
 „Und ich sage euch: Macht euch Freunde mit dem schmutzigen Geld, dem ungerechten Mammon, damit, wenn ihr in Not kommt, sie euch aufnehmen in die ewigen Wohnungen. Wer im Kleinsten treu ist, der ist auch im Großen treu, und wer im Kleinsten unrecht ist, der ist auch im Großen unrecht. So ihr nun mit dem ungerechten Geld nicht zuverlässig umgeht, wer will euch das wahre Gut anvertrauen? Und wenn ihr fremdes Gut nicht treu verwaltet habt, wer wird euch geben, was euch eigentlich zugedacht war? Kein Diener kann zwei Herren gleichzeitig dienen; entweder er wird den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird sich voll für den einen einsetzen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott und dem Geld gleichzeitig dienen.“

1.  Schwierigkeiten mit der Volksweisheit
Jesus scheint hier eine gängige Volksweisheit zum Besten zu geben. Er hatte zuvor gerade ein Gleichnis erzählt, in dem er seltsamerweise einen korrupten und untreuen Finanzverwalter lobt. Bestätigt Jesus damit nicht in gewisser Weise, dass diejenigen oft am weitesten kommen, die in der Maske des Biedermanns auf krummen Wegen das große Geld absahnen? Erwischt werden doch die Kleinen, denen man wegen zweier mitgenommener Brötchen den Prozess macht. Die großen Hechte sind dank ihrer kriminellen Kreativität oder durch ihre pfiffigen Anwälte schon längst durch die Maschen des Gesetzes geschlüpft: Von Wirtschaftskriminalität, Steuerbetrug in Millionenhöhe sind unsere Zeitungen und das Fernsehen voll. Und wie selten muss dann einer von den „Großen“ wirklich hinter Gitter …
Immerhin verstehe ich Jesus so, dass er nicht Dummheit, Inkompetenz oder Blauäugigkeit für sinnvoll hält. Das Gleichnis, das unserer Textstelle vorausgeht, ist ja keine Handlungsanleitung, um mit Hilfe von Tricks die eigene Haut zu retten, sondern ein Denkanstoß. Der muss auch manchmal etwas heftiger sein, damit wir merken, worum geht, wenn man sich Freunde mit dem ungerechten Mammon machen soll, wie das Luther so schön übersetzte.     
Beim genaueren Lesen leuchtet hier ein Horizont auf, der mit der Erfahrung des Himmlischen unter irdischen Bedingungen zu tun hat. Ich übersetze diesen Vers einmal so:
Jesus sagt:
Euer Geld ist Symbol von Ungerechtigkeit, Kränkung und Leiden. Setzt es so ein, dass Freundschaften entstehen – nicht zweifelhafte Seilschaften. Nur so findet ihr ein Zuhause, das einen ewigen Wert hat.
Wir stehen in einem Unrechtszusammenhang:
Offensichtlich lässt sich Ungerechtigkeit im Alltag unserer Welt nicht vermeiden: Wer mit Geld umgeht, geht mit Unrecht um. Machen wir uns nur einmal klar, durch wie viele Hände dieser 10 Euro-Schein gegangen ist (Geldschein zeigen). Welche Geschichten von Freude, Leid, Verzweiflung und Betrug könnte er uns erzählen? Und nun ist dieser Schein in unseren Händen. Was machen wir mit ihm?  Wir können uns offensichtlich nicht aus dem Geldkreislauf herausmogeln. Wir leben in einem Zusammenhang von Ausbeutung und Unrecht. Wir stehen allerdings mit unseren Gütern auf der Sonnenseite. Selten fragen wir, was mit den Menschen geschieht, die diese unsere Nahrung und unsere Kleidung produziert haben. Wie sehen ihre Lebensbedingungen aus? Wie viele Kinder werden durch unsere Art des Konsums von Schule und Bildung ferngehalten?
Hinzu kommt unsere Schäppchen-Mentalität: möglichst billig, gut und günstig einzukaufen. Keiner von uns dürfte dieser Versuchung schon komplett widerstanden haben. Jetzt reicht ja schon für unsere Gier nicht mehr XXL, sondern XXXL !
Nun gibt es glücklicherweise auch ein Gegensteuern für unsere Habenwollen-Mentalität. Ich finde ein schönes Beispiel ist diese 50 Cent Münze. Hier kann man sehen, wie aus ungerechtem Mammon Engelgeld geworden ist.
Die Initiative des Künstlerpaares Carmen Dietrich und Gregor Merten mit dem „Engel der Kulturen“ ist sicher manchen bekannt. Es handelt sich um ein großes Rad mit den Symbolen von Judentum, Christentum und Islam. Als sie zum ersten Mal einen Sandabdruck machten, entdeckten sie, dass das Innere des Radringes einen Engel darstellte. Seit vielen Jahren wird dieses Zeichen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit durch viele Städte gerollt. Ebenfalls werden Bodenintarsien mit dem Engel  vor Kirchen und Synagogen, auf Straßen und Plätzen verlegt, übrigens vor einiger Zeit auch in Lüdenscheid. Zu dieser Initiative gibt es auch das „Engelgeld“. Der Künstler hat 50 Eurocent-Münzen mit diesem Engelsymbol quasi umgeprägt. Man kann noch ahnen, dass es einmal eine 50 Cent Münze war, aber das Engelsymbol hat diese Münze vollständig verändert. Für den üblichen Geldkreislauf ist sie nicht mehr zu gebrauchen. Aber jetzt gibt es neue Möglichkeiten, Zeichen der Versöhnung zu setzen – mit Engelgeld.
 Was hier im Kleinen bewusst geschieht, kann sich sehr schnell auf größere Zusammenhänge auswirken. Aber zuerst müssen wir einmal  bei uns selbst anzufangen – bei unserem Eigentum und unserem Besitz.
Wer im Kleinen nachgibt, gibt auch im Großen nach – keine Flexibilität?
Auch scheinbar kleine Dinge überschreiten schnell die Alltagszusammenhänge. Wir stehen unmittelbar vor dem 9. November, einem Schicksalstag in Deutschland.
·         9. November 1918: Abdankung des Kaisers und Ausrufung der Republik:              
          https://www.google.de/webhp?sourceid=chrome-instant&ion=1&espv=2&ie=UTF-8#q=9.%20november%201918%20ausrufung%20der%20republik
·        9./10. November 1938: Reichspogromnacht: https://www.lpb-bw.de/reichspogromnacht.html
·        9. November 1989: Fall der Berliner Mauer: https://www.lpb-bw.de/fall_der_berliner_mauer.html
Wie gehen wir, Junge oder Alte, eigentlich heute damit um, dass in der sog. Reichkristallnacht, einer Minderheit die Existenz zerstört wurde und die Planung zur Vernichtung der Juden anlief? Wie gehen wir damit um, dass es inzwischen wieder salonfähig ist, seinen Hass über die sozialen Medien oder sogar gewalttätig gegen Flüchtlinge, Muslime, Juden, Schwule loszulassen? Fangen wir schon im Kleinen an, dagegen anzugehen oder sagen wir lieber: Man kann ja doch nichts ändern?
Es gibt heute genügend Möglichkeiten, mit den eigenen Fähigkeiten und der eigenen Klugheit, Treue im Kleinen zu beweisen: Wer nicht so gern ins Internet geht, kann z.B. einen Leserbrief schreiben oder im Radio anrufen. Da muss man schon seinen Namen nennen, das ist der Anfang von Zivilcourage. Das kann angesichts der zunehmenden Gewalt schon Angst verursachen. Das ist eine kleine Handlung. Aber schon da ist es nicht immer leicht denen zu widersprechen, die unter der Maske der besorgten Bürger ausgrenzen, beleidigen und diskriminieren.
Denn hier fängt die Treue im Kleinen an. Martin Luther hat das im Großen Katechismus auf den Punkt gebracht: "Woran du nun dein Herz hängst und worauf du dich verlässt, das ist eigentlich dein Gott." Nicht umsonst mahnt Jesus darum: Man kann nicht Gott und dem Gelde gleichzeitig dienen !
Standfestigkeit üben
Wenn wir unser derzeitiges Christentum in Deutschland betrachten, so fällt auf, dass immer wieder vom „Christlichen Abendland“ geredet wird, das man bewahren müsse. Faktisch aber muss man nach einem intensiv gelebten christlichen Glauben in unserer Gesellschaft ziemlich suchen. Insofern ist es gut, sich mit Blick auf das Vorbild Christi zu vergewissern. Bei der frohen Botschaft Jesu, diesem kostbaren Gut, sollte man nämlich keine Kompromisse machen. Auch die Kirche muss achtgeben, dass sie nicht ihr Profil verliert trotz aller Reformationsfeiern, die seit kurzem quer durch die Republik stattfinden.
Wir müssen uns fragen: Was ist in unserer kirchlichen Arbeit am wichtigsten, unaufgebbar und was läuft sozusagen im Beiprogramm noch mit? Dazu gehört die Glaubwürdigkeit unseres Tuns, damit nicht unsere Gottesdienste zu leeren Ritualen verkommen. Man kann auch nicht dauernd fragen: rechnet sich das für unser Gemeinde, für unser Kirche?          
Martin Luther hat das provokativ auf den Punkt gebracht: Eine Magd, die den Stall ausmistet, ist besser als ein Priester der die Messe liest. Ja, für ihn ist ganz offensichtlich dieses Tun im Stall Gottesdienst. Ob also auch unsere Gottesdienste stimmig sind, zeigt sich an unserem Tun als Kirche und als einzelne Christen. Unser Handeln wird zum Maßstab dafür, ob wir im Kleinen auch treu sind oder es doch nicht so genau nehmen. Jesus fordert darum Treue ein.
Treue zahlt sich aus – sie schafft neue Möglichkeiten der Freiheit
Treue hat sehr viel mit Bindung zu tun. Treue verändert auch Bindungen, wie Antoine de Saint-Exupéry in der Geschichte vom Kleinen Prinzen und dem Fuchs zeigt. Der Fuchs erklärt dem Kleinen Prinzen, wie man Vertrauen gewinnt: >“Du musst sehr geduldig sein“, antwortete der Fuchs. „Du setzt dich zuerst ein wenig abseits von mir ins Gras. Ich werde dich so verstohlen, so aus dem Augenwinkel anschauen, und du wirst nichts sagen. Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse. Aber jeden Tag wirst du dich ein bisschen näher setzen können …“< (20. Kap.).
So wie der Fuchs die Treue im Kleinen benennt, so entstehen dadurch neue Möglichkeiten des Zusammenwirkens, und auf diese Weise neue Möglichkeiten der Freiheit. Auf die Worte Jesu in unserem Abschnitt bezogen, heißt das: Wer sich und sein Tun an Jesus ausrichtet, der wird nicht zum geistlichen Pfennigfuchser und langweiligen Glaubensbuchhalter, sondern er bekommt den Rücken frei für Spontaneität und Kreativität. Unser Handeln braucht eine klare Ausrichtung. Das fängt mit den kleinen Gesten und Ritualen an und dazu gehört z.B. auch das eigene Gebet im Alltag. Aber solche Praxis der Glaubenstreue erfährt erst durch unser verantwortliches Tun die Bestätigung. Geld wird dabei immer wieder ins Spiel kommen, aber nicht in seiner herrschenden Funktion. Sondern wenn wir Geld einsetzen, sollte es anderen auch nützen. Nur so wird sich eine Gesellschaft zum Besseren verändern. Und wir können etwas dazu beitragen. Dieser Einsatz lohnt sich. Lassen wir uns himmlische Kreativität schenken.

Reinhard Kirste
 --- relpäd/Lk 16,9-12,. 06.11.16